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| Mit gleicher Anlage werden in Indien Raketenteile gebaut H+H Angeklagte von Gutachter entlastet Beobachter schließen Wetten auf Freispruch ab Gutachter-Aussagen zu schwammig Ahlen/Münster(hs) | ||
| Seit Freitag nehmen Prozeßbeobachter Wetten auf einen Freispruch im H + H-Prozeß an. Die Verteidiger von Dietrich Hinze, Peter Hütten und Helmut B. sind zuversichtlich, erfolgreich auf Freispruch plädieren zu können. Argumente dafür lieferte ihnen der Gutachter aus dem Bundesausfuhramt. Er entlastete die Hauptangeklagten indirekt von dem Vorwurf, gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. H + H hätten eigentlich nur "08 15-Maschinen aus dem Katalog" an den Irak geliefert. Auch mit den dazugehörigen Spezialwerkzeugen seien keine sicheren Rückschlüsse auf eine militärische Zweckbestimmung zu ziehen. Hätte der Irak sie einzeln bestellt, wären sie nicht unter die Verbotsliste seines Amtes gefallen. Die im Oktober 1988 gelieferte zweiachsige Drückmaschine sei der Behörde unbedenklich erschienen. Die Bestimmungsangabe "für Hauben und Ölventile" hätte so allgemein geklungen, daß davon auch keine Hinweise auf eine Zweckentfremdung abgeleitet werden konnten. Rundbiegemaschinen, die Spann- und Schweißvorrichtungen und Drehbänke (Anklagepunkte 5 und 6), Durchmesser und Länge der Werkstücke, die "zufällig" mit Raketenbauteilen identisch waren, eine Zentriervorrichtung und Angaben über qualifizierte Werkstoffe könnten zwar als Indizien gewertet werden, hätten aber keine Beweiskraft. Erst die Gesamtheit aller Maschinen und ihre planmäßige Anordnung zu einer Fertigungslinie wäre unter den Begriff "spezielle Konstruktion" gefallen und sei damit genehmigungspflichtig gewesen. Kommentarlos und eher beiläufig hatte der Gutachter vorausgeschickt, daß seine Behörde schon einmal eine mit der HHSF-600 identische Drückmaschine zum Export freigegeben hatte. Sie war mit den gleichen Werkzeugen bestückt, wie unter Anklagepunkt 4 aufgeführt, und zur "Herstellung von Droptanks" deklariert an Indien geliefert worden. Offen blieb, welche Parallelen das Gericht darin erkennen konnte. Noch einmal lieferte der Gutachter den Verteidigern "Schießpulver", als er neuerlich minutenlang in seinem Aktenberg blättern mußte, um eine Bestimmung zu finden über "Halbfertigteile" - wie das Sickenrohr für die SCUD-Rakete - und "besonders konstruierte Bestandteile" - wie die Treibstoffleitung der Rakete. "Wenn Sie schon Schwierigkeiten mit den komplizierten Vorschriften haben, wie soll dann der Maschinenbauer darüber Bescheid wissen?" feixte Rechtsanwalt Michael Rietz. Der Gutachter wich konkreten Fragen so unbestimmt aus wie mit: "wahrscheinlich, es wird wohl dieser Stutzen in diesem Bereich gewesen sein" und ähnlich. Wiederholt mußte er seine Aussagen, die die Verteidiger als "zu schwammig" rügten, korrigieren. Ein Beispiel: Die Rakete aus dem Dresdner Militärmuseum hatte er nicht an Ort und Stelle - wie es sich zunächst anhörte - sondern erst in der Bundesrepublik gesehen. Kammervorsitzender Drouven: "Dresden ist doch auch Bundesrepublik." Der Zeuge: "Ich meine die westliche Republik." Und: "Da gab es auch eine Schraube. Die war nach der Zeichnung ein genehmigungspflichtiges Spezialteil." Ebenso eine Kabelschelle. Der Richter: "Besonders konstruiert?" Der Zeuge: "Nach Zeichnung angefertigt, somit speziell für dieses (Raketen)-Projekt hergestellt." Der Richter: "Wollen Sie jede andere Verwendung ausschließen?" Der Zeuge: "Ich weiß nicht. Es gibt so viele Schrauben, Kabelschellen und Winkelprofile...". Ahlener Volkszeitung, 07.05.1994 |