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Mit der Fußfesssel auf Bewährung |
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Hessens Justizminister Wagner: Elektronische Aufenthaltskontrolle soll Selbstdisziplin der Straftäter fördern Wiesbaden - Der hessische Justizminister Christian Wagner (CDU) mag das Wort "Fußfessel" nicht. "Es hat etwas von Mittelalter", meint der Mann, den Hessens neuer Ministerpräsident Koch dazu ausersehen hat, "den härtesten Strafvollzug in Deutschland" sicherzustellen. Zudem kann sich Wagner nun wirklich nicht mit der Vorstellung anfreunden, "daß ein rechtskräftig verurteilter Täter in seiner Wohnung bei Bier und Fernsehen seine Strafe absitzt". Hier wird seiner Meinung nach der Strafzweck verfehlt. Des Ministers Skepsis gegenüber der elektronischen Fußfessel als Ersatz für den normalen Strafvollzug gibt einem von Wagner gleichwohl mit diesem High-Tech-Überwachungsinstrument gestarteten Modellversuch deshalb eine andere Richtung. So will der Minister in den nächsten zwei Jahren im Bezirk des Landgerichts Frankfurt/Main die elektronische Fessel nur "im Rahmen der Bewährungsaufsicht" für verurteilte Straftäter testen lassen. Wagner erhofft sich durch eine strengere Kontrolle der unter Aufsicht stehenden Täter, daß Bewährungen in der Zukunft weniger widerrufen müssen als bisher. "Viele Gefangene verlernen es, nach der Uhr zu leben, und gefährden damit gerade auch ihren oftmals mühsam gefundenen Arbeitsplatz oder die Ausbildungsstelle", weiß der Minister. Er glaubt deshalb, daß die elektronische Fußfessel die Selbstdisziplin innerhalb der Bewährungszeit fördern wird und "damit ein wichtiges Mittel zur erfolgreichen Resozialisierung des Gefangenen sein kann". Für das hessische "Fesselungsmodell" sind nach dem Urteil des Ministers keine neuen Gesetze notwendig. Die elektronische Überwachung sei möglich, wenn das Gericht dies anordne und der Verurteilte einwillige (Paragraph 56c, Absatz 2 StGB). Der Richter könne nämlich den Verurteilten durchaus anweisen, "Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit beziehen". Und wie funktioniert die Computerfessel? Am Fuß des Verurteilten wird ein Sender angebracht, der einem Empfänger am häuslichen Telefon in bestimmten Intervallen die Anwesenheit des Täters meldet. Diese Daten werden in einem Zentralcomputer registriert, so daß eine genaue Kontrolle möglich ist. Spontane Zustimmung hat das Wagner-Modell bei den hessischen Liberalen gefunden. Ihr Fraktionsvorsitzender Jörg-Uwe Hahn kann sich die Nutzung der Fußfessel auch bei Personen vorstellen, die vom Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht zahlten und daher eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe antreten müßten. Als "aberwitzige Idee" und eine "Art Zusatzstrafe" hat dagegen die grüne Opposition die geplante elektronische Bewährungskontrolle bezeichnet. "Die Welt", 11. Juni 1999 |