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Fußfessel für 30 Straftäter in Hessen |
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Peilsender zur Häftlingsüberwachung eingeführt - Gefängnisse werden nicht entlastet - Einsatz als Bewährungshilfe Frankfurt/Main - Der Straftäter freut sich: "Ich bin zu Hause bei meiner Frau, und meine Freunde können mich jederzeit besuchen." Der verurteilte Autohehler sitzt hinter heimischen statt schwedischen Gardinen - lediglich ein unscheinbarer schwarzer Kunststoffstreifen mit einem Peilsenderkästchen fesselt ihn an seine Wohnung. Und genau daran hängt eine ganze Menge justizpolitischer Ehrgeiz. Am gestrigen Dienstag wurden in Frankfurt am Main die ersten elektronischen Fußfesseln Deutschlands einsatzbereit gemacht. Ursprünglich waren sie dazu gedacht, die Gefängnisse zu entlasten und die Resozialisierung ehemaliger Straftäter zu erleichtern. Doch für den elektronisch überwachten Hausarrest, der eine Gefängnishaft ersetzen könnte, fehlt es bislang in Deutschland an der gesetzlichen Grundlage. Die CDU/FDP-Koalition in Wiesbaden hat daher beschlossen, die Fußfessel nicht als alternative Strafform, sondern als Bewährungsauflage zu testen. Gesetzesänderungen sind dafür nicht nötig, allerdings eine richterliche Anordnung für jeden Einzelfall und die ausdrückliche Zustimmung des künftigen Trägers der Fessel. Bis zu 30 auf Bewährung freigelassene Straftäter können ab sofort in Frankfurt mit dem elektronischen Kästchen am Fußgelenk ihrem Job nachgehen und anschließend ihre Freizeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Der Verlauf des auf zwei Jahre angelegten und 780 000 Mark teuren Modellversuchs wird vom Freiburger Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht ausgewertet. Grundsätzlich soll es nur für die Arbeit erlaubt sein, die eigenen vier Wände zu verlassen. Besuche in der Stammkneipe, am Kiosk oder an der Trinkhalle um die Ecke sind nicht vorgesehen, da gerade derartige Milieus als Risikofaktor gelten. Die elektronische Fußfessel, darauf legen die Juristen im Wiesbadener Ministerium Wert, sei keine zusätzliche Strafe, sondern ein geeignetes Instrument, die Bewährungsauflagen schwieriger "Kunden" zu überwachen. Für die Fessel kommen laut Ministeriumssprecher Martin W. Huff in erster Linie "Wackel-Kandidaten" infrage, bei denen die Richter ohne zusätzliche Sicherung schwere Bedenken hätten, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Eine zweite Zielgruppe sind Verurteilte, die gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben und eigentlich zurück ins Gefängnis müssten. Die ständig überbelegten Gefängnisse in Hessen würden so immerhin indirekt entlastet. Mehr könnte da der zweite Schritt bringen, den die Hessen wie die Nachbarn in Baden-Württemberg nach der erhofften Änderung des Strafvollzuggesetzes planen. So genannte Ersatzfreiheitsstrafen könnten dann in beiden Ländern mit der Elektro-Fessel verbüßt werden. Diese Strafen werden fällig, wenn Verurteilte ihre Geldstrafe nicht begleichen können oder wollen. Nach Schätzung des Landesverbandes der Vollzugsbediensteten könnten so allein in Hessen etwa 200 dringend benötigte Haftplätze frei gemacht werden. sur/dpa / Die Welt online vom 16.August 2000 |