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Elektro-Fußfesseln im Probeeinsatz |
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Hessen: Vorerst kein Ersatz für Haft - Nur bei Bewährung Der hessische Strafvollzug testet die so genannte elektronische Fußfessel erstmals in der Praxis. An diesem Dienstag werden in Frankfurt am Main die ersten elektronischen Fußfesseln Deutschlands einsatzbereit gemacht. Doch vorerst wird kein Häftling in Hessen seine Strafe zu Hause absitzen können. Denn für den elektronisch überwachten Hausarrest fehlt bislang die Gesetzesgrundlage. Die Bundesländer wollen zwar eine Öffnungsklausel für Modellversuche in dem entsprechenden Bundesgesetz, sind aber mit dieser Idee bislang bei der Bundestagsmehrheit nicht durchgedrungen. Die CDU/FDP-Koalition in Wiesbaden ist daher auf die Idee gekommen, die Fußfessel nicht als zusätzliche Strafform, sondern als Bewährungsauflage auszuprobieren - mit richterlicher Anordnung im Einzelfall und nur mit ausdrücklicher Zustimmung des künftigen Trägers der Fessel. Gesetzesänderungen sind dafür nicht nötig. KONTROLLE ÜBER “DATABOX” Bis zu 30 auf Bewährung frei gelassene Straftäter können ab sofort in der Kriminalitätshochburg am Main mit dem elektronischen Helferlein am Fußgelenk ihrem normalen Job nachgehen und anschließend ihre Freizeit in den eigenen vier Wänden verbringen. Ihre Sender melden der am Telefon angeschlossenen “Databox” stets, ob sie sich innerhalb oder außerhalb der ungefähren Reichweite von 80 Metern befinden. Der bei der zentralen hessischen Datenverarbeitung in Hünfeld untergebrachte Zentralrechner vergleicht die Zeiten mit dem vorher eingegebenen Wochenprofil des Delinquenten. Ist er zu den vorgeschriebenen Zeiten nicht in der Wohnung oder liegt während der Arbeitszeit lieber auf dem heimischen Sofa, meldet sich das System. Die vier Sozialarbeiter, die im Rahmen einer Maßnahme des Arbeitsamtes das System überwachen, kümmern sich dann um den Fall und setzen die Bewährungshelfer in Gang. Zusätzlich sind die Arbeitgeber verpflichtet, zeitliche Verfehlungen ihrer Beschäftigten zu melden. KOSTEN VON 780.000 MARK Der Verlauf des auf zwei Jahre angelegten und 780.000 Mark teuren Modellversuchs wird vom Freiburger Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht ausgewertet. Grundsätzlich soll es nur für die Arbeit erlaubt sein, die eigenen vier Wände zu verlassen. Besuche in der Stammkneipe, am Kiosk oder an der Trinkhalle um die Ecke sind nicht vorgesehen, da gerade derartige Milieus als Risiko-Faktor gelten. Der permanente Aufenthalt im eigenen Heim könne aber zur Belastung nicht nur des Fesselträgers, sondern auch seiner Mitbewohner führen, warnen Kritiker wie der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Auch drohe die Gefahr eines Zweiklassen-Systems, weil Telefonfestanschluss und eigene Wohnung Voraussetzung für den Einsatz des elektronischen Wächters sind. Die elektronische Fußfessel, darauf legen die Juristen im Wiesbadener Ministerium Wert, sei keine zusätzliche Strafe, sondern ein geeignetes Instrument, die Bewährungsauflagen schwieriger “Kunden” zu überwachen. Für die Fessel kommen laut Ministeriumssprecher Martin W. Huff in erster Linie “Wackel-Kandidaten” in Frage, bei denen die Richter ohne zusätzliche Sicherung schwere Bedenken hätten, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Eine zweite Zielgruppe sind Verurteilte, die gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben und eigentlich zurück ins Gefängnis müssten. Die ständig überbelegten Gefängnisse in Hessen würden so immerhin indirekt entlastet. HOFFEN AUF NEUES GESETZ Mehr könnte da der zweite Schritt bringen, den die Hessen wie die Nachbarn in Baden-Württemberg nach der erhofften Änderung des Strafvollzuggesetzes planen. So genannte Ersatzfreiheitsstrafen könnten dann in beiden Ländern mit der Elektro-Fessel verbüßt werden. Diese Strafen werden fällig, wenn Verurteilte ihre Geldstrafe nicht begleichen können oder wollen. Nach Schätzung des Landesverbandes der Vollzugsbediensteten könnten so allein in Hessen etwa 200 dringend benötigte Haftplätze frei gemacht werden. |