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Handlanger oder treibende Kraft? |
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Der Atomspion Schaab steht ab Montag vor Gericht Augsburg/München. Die demonstrative Gelassenheit, mit der sein Anwalt auftritt, hat auf Karl-Heinz Schaab nicht abgefärbt. Sehr niedergeschlagen erlebe er seinen Mandanten zur Zeit, sehr unsicher und nervös, sagt Verteidiger Michael Rietz. Dabei sei Schaab, der Techniker aus Kaufbeuren, der am Atomprogramm des irakischen Diktators Saddam Hussein mitgebastelt hat und ab Montag in München vor Gericht steht, alles andere als jener skrupellose "Techniker des Todes", den die Presse aus ihm gemacht habe. "In Teilbereichen," gibt Rietz zu, sei der 64jährige "sicher sehr hilfreich gewesen". Aber war er tatsächlich der strategische Kopf jenes Programms, das den Irak in den Besitz eigener Atomwaffen bringen sollte? Schaab selbst schweigt, er gibt keine Interviews und lebt zurückgezogen von einer kleinen Rente in Kaufbeuren - "von der Hand in den Mund", wie Anwalt Rietz es nennt. Der 64jährige Techniker hat gestanden, dem Saddam-Regime geholfen zu haben. Er ist aus Brasilien, wo er zwischenzeitlich 15 Monate in Auslieferungshaft saß, freiwillig zurückgekehrt und hat sich im September gestellt - unter anderem, weil er seine kranke, 96jährige Mutter noch einmal sehen wollte. Vor wenigen Wochen ist sie gestorben, das Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht, das wohl mit einer Verurteilung ihres Sohnes enden wird, erlebt sie nicht mehr mit. Verteidiger Rietz rechnet mit einem vergleichsweise milden Urteil. Nicht der Atomspion Schaab habe Saddams Crash-Programm zum Bau einer eigenen Atomwaffe federführend vorangetrieben, sondern nur ein einfacher Techniker, der nie eine Universität von innen gesehen habe. Um seine kränkelnde Firma zu retten, habe er sich auf das lukrative Angebot aus Bagdad eingelassen - schließlich galt Schaab, der einst bei MAN Technologie gearbeitet hatte, als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der sogenannten Gas-Ultra-Zentrifugentechnik, die zur Anreicherung von Uran 235 benötigt wird, dem wichtigsten Bestandteil einer Atombombe. "Viele Dinge", sagt Rietz, "hat Herr Schaab gar nicht verstanden". So habe sich sein Tatbeitrag weniger auf das Strategische denn auf das Handwerkliche konzentriert: Wie, zum Beispiel, werden bestimmte Bauteile zusammengesetzt? Und welcher Kleber paßt zu welcher Faser? Seit Dezember ist Schaab, gegen Kaution, auf freiem Fuß. Bei einer Verurteilung von etwa sechs Jahren wegen Landesverrats, auf die die Haft in Brasilien unter "erschwerten Bedingungen" entsprechend angerechnet würde, könnte er nach Einschätzung seines Verteidigers ein freier Mann bleiben - wenn die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. AZ vom 12. Juni 1999 |