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Kaufbeurer "Atomspion" vor Gericht: "War sehr blauäugig" Von Bertram Maria Keller |
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Kaufbeuren - Ein BMW vor der Tür. Ein Hund im Garten, Blumen vor der Tür. Normales, bürgerliches Leben in einem gepflegten Reiheneckhaus mitten in Neugablonz? Nicht ganz. Hinter der Tür wohnt nämlich Karl-Heinz Schaab, der "Kaufbeurer Atomspion". Der ehemalige Kaufbeurer Unternehmer gab die Beteiligung an Saddam Husseins Atomplänen schon lange zu. Jetzt wird ihm in München der Prozeß gemacht. Schlimmstenfalls stehen 12 Jahre Haft an. Doch erst muß noch geklärt werden, welche Rolle der so unscheinbar wirkende Karl-Heinz Schaab beim Programm zum Aufbau einer irakischen Atombombe wirklich gespielt hat. Vergangene Woche begann unter regem Interesse der Medien - sogar Presse aus den USA reiste extra an - vor dem Obersten Bayerischen Landesgericht der Prozeß gegen den Kaufbeurer Unternehmer Karl-Heinz Schaab. Ihm wird zur Last gelegt, er hätte dem Irak wichtige Informationen, Teile und Know-How für dessen heimliches Atomprogramm geliefert. Die Anklage lautet auf "Landesverrat", weil er "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt " hätte. Hat er? Sicher ist, und das hat Karl-Heinz Schaab - ein schüchterner, älterer Herr, der sich erstmals ohne Toupet zeigte - bereits zugegeben: Er hat Saddams Truppe bei der Entwicklung einer Gas-Ultra-Zentrifuge zur Anreicherung von Uran - das man zur Herstellung einer Atombombe dringend benötigt - beraten. Im angeblichen Fehlglauben, es handle sich um ein Forschungsprojekt, bekam er auch den Auftrag zur Herstellung einer Maschine, auf der man faserverstärkte Kunststoffrohre (CFK) fertigen könne, die wiederum zur Herstellung einer solch gefragten Zentrifuge nötig seien. Ein Freund habe ihn 1989 gebeten, den Irakern Konstruktionspläne für Zentrifugenteile zum Kauf anzubieten. Schaab übergab die Pläne und erhielt dafür 100 000 Mark in bar - in einem Schließfach am Wiener Westbahnhof. "Ich war damals sehr blauäugig" gestand Schaab vor einigen Tagen im Gerichtssaal, denn trotz dieser konkreten Geldübergabe dachte er angeblich noch immer an ein "Forschungsprojekt". 1990 habe er dann einen Auftrag über 20 CFK-Rohre und weitere Teile zum Kaufpreis von rund einer Million Mark erhalten. Die Iraker kamen angeblich höchstpersönlich nach Kaufbeuren, um diese abzuholen. Im gleichen Jahr sei Karl-Heinz Schaab mit seiner Frau Brigitte zu einem kostenlosen zweiwöchigen Urlaub in den Irak eingeladen worden. Erst kurz vor der Heimfahrt ging es dann zur Sache: Bei einer Laborbesichtigung erkannte er angeblich die von ihm gelieferten Teile wieder und sollte diese vor Ort montieren. Das machte er dann auch umgehend, doch bereits beim ersten Probelauf gab es ernsthafte Probleme. Die Schaabs reisten wieder in ihr Reiheneckhaus in Neugablonz und hörten angeblich nie mehr was von Saddams Truppe. 1993 wurde Karl-Heinz Schaab wegen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Als er dann 1996 zusätzlich wegen Landesverrats angeklagt worden war, floh er aus seinem Haus auf Teneriffa. Interpol suchte den "Techniker des Todes", wie ihn eine bekannte Boulevardzeitung titulierte, auf der ganzen Welt. Gefunden hat ihn das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Brasilien, dem Schaab auch gleich ein Interview gab (wir berichteten). Schaab stellte sich freiwillig, saß 15 Monate in Auslieferungshaft in Brasilien und kam zurück nach Kaufbeuren. Hier lebt er bereits seit einiger Zeit wieder gegen Kaution auf freien Fuß. Zurückgezogen und ohne der Presse irgendwelche Interviews zu geben "von der Hand in den Mund", wie Rechtsanwalt Michael Rietz es nennt. Der 64jährige Techniker hat gestanden, dem Saddam-Regime bei den geheimen Atomplänen geholfen zu haben. Ob er in diesem Unternehmen wirklich der strategische Kopf, oder dem Irak in bestimmten Fragen "nur" "sehr hilfreich" war, wie er es vorsichtig formuliert, ist die zentrale Frage. Die Frage, die letztendlich auch darüber entscheidet, ob Karl-Heinz Schaab sein beschauliches Leben in dem Neugablonzer Reiheneckhäuschen weiterführen kann, oder bis zu 12 Jahren hinter Gitter muß. Kaufbeurer Kreisbote vom 17. Juni 1999 |