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Das Geständnis des Atomspions |
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Ein Techniker aus Kaufbeuren verkaufte Saddam Hussein für zwei Millionen Mark geheime Bauteile für eine Atombombe. Ab morgen steht der frühere MAN-Mitarbeiter Karl-Heinz Schaab vor Gericht. München/Hamburg - Der deutsche Techniker Karl-Heinz Schaab hat dem irakischen Diktator Saddam Hussein bei dem Versuch geholfen, Atombomben zu bauen. Das legen Ermittlungsakten der Karlsruher Bundesanwaltschaft zu dem aufsehenerregendem Prozeß nahe, der morgen vor dem 3. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts in München beginnt. Die Akten enthalten das Geständnis des Atomspions. Schaab, 64, muß sich wegen Landesverrats sowie Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz verantworten. Der untersetzte Mann mit dem weiß-grauen Haarkranz hat laut Anklageschrift der Bundesanwaltschaft zwischen April 1989 und April 1990 Bauteile für eine "unterkritische Gasultrazentrifuge" (GUZ) an den Irak geliefert; darunter Rotoren, Nadeln, CFK- Ringe sowie Kammer- und Wuchtscheiben. Die GUZ wird bei der Herstellung von Atombomben zur Urananreierchung benötigt. In den über einen Meter langen und nur wenige Zentimeter breiten Zylindern wird das in der Natur nicht vorkommende Element "Uran 235" aus dem natürlichen Element "Uran 238"extrahiert. Für diesen Vorgang braucht man Hunderte GUZ-Zentrifugen mit einer Leistung von jeweils 1000 Umdrehungen in der Sekunde. Schaab, der aus Kaufbeuren (Bayern) stammt, hat nicht nur Bauteile geliefert, sondern auch bei der Montage eines GUZ-Prototyps in einem Labor in der Nähe von Bagdad mitgewirkt. Wie aus Schaabs Geständnis hervorgeht, hat er im Herbst 1989 in einem Wiener Hotel Konstruktionszeichnungen für eine GUZ an irakische Mittelsmänner übergeben. Die Zeichnungen aus dem Labor seines früheren Arbeitgebers, der Münchner Firma MAN, unterlagen der Geheimhaltungsstufe "Verschlußsache - Vertraulich". Insgesamt soll Schaab von den Irakern für seine Dienste rund zwei Millionen Mark erhalten haben. Wie wurde der biedere Besitzer eines Reihenhauses zum Atomspion? Der Kontakt zwischen den Irakern und Schaab begann Ende der achtziger Jahre. Der Irak hatte damals begonnen, einen GUZ- Prototypen aus Kohlefaser herzustellen. Schaab selbst hatte von 1970 bis 1982 bei MAN an der Entwicklung von Kohlefaserzentrifugen mitgewirkt. Der gelernte Modellbauer, der "nie eine Uni von innen sah", hat sich bei MAN zu einem Spezialisten für die hochsensiblen Außenwände der GUZ emporgearbeitet. Im Frühjahr 1989 klingelten Iraker an der Tür von Schaabs Reihenhaus in Kaufbeuren, wo sich der Techniker mittlerweile mit einer eigenen Firma selbständig gemacht hatte. Die Araber hatten seine Adresse von einem EX-Kollegen. Immer wieder parkten in den folgenden Monaten Autos mit "Corps Diplomatique"- Aufklebern vor Schaabs Haus. In deren Kofferräumen will Schaab die GUZ-Bauteile verstaut haben. Bei drei Reisen in den Irak habe er sich zudem ein eigenes Bild von den Fortschritten des irakischen GUZ-Programms machen können. Der irakische GUZ-Prototyp habe der lediglich rund 500 Umdrehungen in der Sekunde geschafft, von den für die Urananreicherung erforderlichen 1000 Umdrehungen sei er weit entfernt gewesen, behauptet Schaab in seinem Geständis. Als Schaab Anfang 1995 enttarnt wurde, floh er mit Ehefrau Brigitte und Chow-Chow-Hündin "Sheila" zunächst über Teneriffa nach La Palma, später nach Brasilien. Dort wurde er 1996 festgenommen, nach 18 Monaten Auslieferungshaft aber wieder freigelassen. Im Herbst 1998 stellte er sich auf Anraten seines Münsteraner Anwalts Michael Rietz den deutschen Behörden. Er gestand alles, wurde deshalb aus der Haft entlassen. Auf einfachen Landesverrat stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der geständige Atomspion Karl-Heinz Schaab dürfte wahrscheinlich mit einer deutlich milderen Strafe davonkommen, zumal das Gericht die Haft in Brasilien anrechnen kann. Welt am Sonntag vom 13. Juni 1999 |