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Jede Zeichnung war streng geheim Bundesanwaltschaft fordert sechs Jahre Haft für Atomspion Schaab |
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München- Sechs Jahre Haft wegen Landesverrats hat Bundesanwalt Joachim Lampe am Montag im Prozeß gegen den Kaufbeurer Ingenieur Karl-Heinz Schaab gefordert. Schaab, der als mutmaßlicher Atomspion wegen des Verkaufs von Plänen zur Herstellung waffentauglichen Urans an den Irak angeklagt ist, dürfe nicht mit einem milden Urteil rechnen, sagte Lampe vor dem Staatsschutzsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts in München. Der 64jährige Kaufbeurer habe Unterlagen an Bagdad geliefert, die für die Sicherheit der Bundesrepublik sehr bedrohlich gewesen seien und damit schwere Schuld auf sich geladen. Schaab, der sich nach einem Gefängnisaufenthalt in Brasilien freiwillig den deutschen Behörden gestellt hatte und gegen Kaution auf freien Fuß kam, hat bisher die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft weitgehend eingeräumt. 1989 beschaffte er dem Irak von seinem früheren Arbeitgeber MAN-Technologie Pläne für eine Gasultrazentrifuge (GUZ), mit der sich Uran-Isotope abspalten lassen. 100 000 Mark hatte der Irak dem Techniker dafür gezahlt. Ein Gutachter der deutschen Atomforschungsgesellschaft Uranit betonte gestern vor Gericht, jede Einzelzeichnung einer GUZ sei seit 1960 als streng geheim deklariert. Er habe die Pläne Bagdads studiert und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Irakis anhand von einzelnen Kopien eine Gesamtzeichnung zusammengestellt hätten. Der Gutachter hielt die technisch längst überholte Lieferung Schaabs jedoch nicht für gefährlich. Der Sachverständige äußerte die Überzeugung, Iraks Staatschef Saddam Hussein hätte Jahrzehnte gebraucht, mit den Zeichnungen, die ihm Schaab beschaffte, eine Atomwaffe herzustellen. "Mit dieser Technik hätte es der Irak bis heute auf ein Kilo hochangereichertes Uran gebracht." Für eine Atombombe benötige man jedoch etwa fünf bis zehn Kilogramm. Gelungen wäre Bagdad das Experiment auch nur, wenn man sich laufend weiter mit Uran aus dem Westen versorgt hätte. "Das wäre noch ein weiter Weg gewesen", sagte der Gutachter. SchaabsVerteidiger Michael Rietz hatte betont, die von seinem Mandanten gelieferten Pläne seien auf der untersten Vertraulichkeitsstufe einzuordnen. Er forderte den Senat auf, erheblich unter dem vom Bundesanwalt geforderten Strafmaß zu bleiben. Der Verteidiger möchte erreichen, daß Schaab die 15monatige Untersuchungshaft "unter besonders erschwerten Bedingungen" in Brasilien mit dem dreifachen Faktor angerechnet wird und der Ingenieur das Gerichtsgebäude als freier Mann verlassen kann. Das Urteil wird am 29. Juni gesprochen. Süddeutsche Zeitung vom 22. Juni 1999 |