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Für das Gericht war er ein Spion Trotz fünf Jahren Haftstrafe muß Karl-Heinz Schaab vermutlich nicht mehr ins Gefängnis |
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Von Martin Frei München - Fünf Jahre Haft, so lautet das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Prozeß gegen Karl-Heinz Schaab. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß der 65jährige Kaufbeurer aktiv am Atomprogramm des Irak mitgewirkt und sich so des Landesverrats schuldig gemacht hat. Dennoch muß Schaab wahrscheinlich nicht mehr ins Gefängnis. Mit zunächst versteinerter Miene verfolgte Schaab gestern die Urteilsverkündung. Nach Ansicht des Gerichts habe der 65jährige von Anfang an gewußt, daß er dem irakischen Atomprogramm zuarbeitet, als er 1989 dem Irak vertrauliche Konstruktionszeichnungen und Teile zum Bau einer Gas-Ultra-Zentrifuge lieferte und am Ende bei der Montage einer solchen in Bagdad mitgeholfen habe. Gas-Ultra-Zentrifugen können dazu verwendet werden, um Uran atomwaffenfähig zu machen. Während des Verfahrens hatte Schaab dagegen berichtet, er sei davon ausgegangen, daß es sich bei dem Vorhaben um ein Forschungsprojekt der Universität Bagdad handelt. Zudem habe ihn ein befreundeter deutscher Wissenschaftler zu den Lieferungen animiert. Zwar habe Schaab eindeutig eine Staatsgeheimnis verraten, den Irak seinem Ziel, dem Bau einer Atombombe, "ein gutes Stück näher gebracht" und damit die äußere Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet. Einen besonders schweren Fall von Landesverrat, wie ihn die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer anprangerte, konnte der Senat im Fall Schaab jedoch nicht erkennen. Strafmildernd wertete das Gericht auch sein umfassendes Geständnis und die Tatsache, daß sich Schaab nach seiner Flucht nach Brasilien 1998 freiwillig den deutschen Behörden stellte und dies, obwohl ein Auslieferungsantrag der Bundesrepublik von den brasilianischen Behörden abgelehnt worden war. "Das ist ein in der Justizgeschichte nicht sehr oft vorkommender Fall", erklärte der vorsitzende Richter Ermin Brießmann. So wurde Schaab zu fünf Jahren Haft verurteilt. Für Landesverrat sind maximal 15 Jahre vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre gefordert. Außerdem muß der Kaufbeurer 60 000 Mark, die er durch den Verkauf der vertraulichen Unterlagen verdient hat, in die Staatskasse bezahlen. Die Anspannung in Schaabs Gesicht löste sich schließlich, als das Gericht verkündete, daß die 15monatige Auslieferungshaft in Brasilien aufgrund der harten Haftbedingungen dort im Verhältnis eins zu drei auf das Strafmaß angerechnet werden. Das bedeutet, daß von den fünf Jahren noch ein Jahr und drei Monate übrigbleiben. Da Schaab nicht vorbestraft ist, wird bei ihm zudem höchstwahrscheinlich die Regelung angewandt, daß ein Drittel der Erststrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Dies würde bedeuten, daß Schaab nicht mehr ins Gefängnis muß. Daß der Haftbefehl gegen ihn im Urteil aufgehoben wurde, könnte ein weiteres Indiz für diese Möglichkeit sein. "Froh, daß es vorbei ist" Schaabs Verteidiger Michael Rietz zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens: "Ich glaube, das Gericht hat sachlich und gerecht entschieden. Ich habe ein solches Urteil zwar erhofft, aber nicht damit gerechnet." Auch Schaab wirkte sichtlich erleichtert, als er sich den zahlreichen Journalisten stellte: "Ich fühle mich befreit und bin froh, daß das jetzt vorbei ist." Die Ermittlungen im Fall Schaab hatten sich gut zehn Jahre hingezogen. Augsburger Allgemeine vom 30. Juni 1999 |