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Konstruktionspläne an den Irak verkauft |
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Kaufbeurer Modellbauer wußte von der Eignung der an den Irak verratenen Gas-Zentrifuge für militärische Zwecke München- Auf dem Weg zu einem maßvollen Urteil hat der Modellbauer Karl-Heinz Schaab die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft im Grundsatz bestätigt. Ser 64jährige Experte für Präzisionsbauteile sagte, er habe Mittelsmännern des irakischen Diktators Saddam Hussein Pläne für die sogenannte Gas-Ultra-Zentrifuge (GUZ) übergeben. Aus einem technischen Detail habe er erkannt, daß es sich um eine überkritische Anlage handelte, mit der das Uran-Isotop 235 in militärisch relevanten Mengen hergestellt werden kann. Den Preis der "konspirativ übergebenen" Konstruktionspläne beziffert Schaab auf 100 000 Mark. Bei einem Gesamtumsatz von 980 000 Mark aus Lieferungen an den Irak habe er "zirka 30 Prozent Gewinn"gemacht. Der Kaufbeurer mußte sich, wie berichtet, seit Mintag wegen Landesverrats vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht verantworten. In seiner einstündigen Einlassung vor dem Staatsschutzgesetz relativierte Schaab einen Teil der Vorwürfe. Die mit dem Vermerk "Vertraulich - nur für den Dienstgebrauch" versehenen Blaupausen der GUZ, die er irakischen Geschäftspartnern im September 1989 in einem Wiener Hotel übergab, habe er nicht selbst beschafft. Besorgt worden seien die Konstruktionszeichnungen von seinem Arbeitskollegen Bruno Stemmler. Dieser war wie Schaab in den siebziger Jahren für die MAN-Technologie tätig, die damals im Auftrag der trinationalen Forschungsgesellschaft Urenco im westfälischen Gronau am Bau einer GUZ für zivile Zwecke arbeitete. Daß er im Begriff war, sich an einer illegalen Aktion zu beteiligen, hat Schaab offenbar geahnt: Skrupel besänftigte er mit dem Gedanken, Stemmler leiste damit "eine Art Anreiz, um eine Stelle an der Universität von Bagdad" zu bekommen. Heute weiß Schaab: "Ich war damals zu blauäugig." Stemmlers Bitte, die GUZ-Pläne an seiner Stelle über die Grenze zu bringen, will der 64jährige allerdings ausgeschlagen haben: "Das Risiko war mir zu groß." Stemmler mußte selbst nach Wien fahren. In den Verhandlungen mit seinen irakischen Geschäftspartnern und der Übergabe sah Schaab kein Wagnis mehr: "Wir einigten uns rasch auf 100 000 Mark." Bruno Stemmler kann nicht mehr befragt werden; der ehemalige GUZ-Spezialist ist tot. Auch ein anderer Aspekt blieb deshalb vorerst unbewiesen: die Behauptung Schaabs, Stemmler habe darauf bestanden, ihm, Schaab, 80 Prozent des Verkaufspreises zu überlassen. Der Vorwurf von Bundesanwalt Joachim Lampe, er habe sich des Verrats von Staatsgeheimnissen schuldig gemacht, begegnete Schaab mit dem Hinweis, die Pläne seien auf der untersten Vertraulichkeitsstufe einzuordnen. Für Herstellung und Lieferung wichtiger GUZ-Präzisionsteile übernahm der gelernte Modellbauer die volle Verantwortung. Daß Art und Anzahl der Bauteile ausgereicht hatten, um hochangereichertes Uran in nennenswerter Menge herzustellen, bezweifelte jedoch nicht nur Anwalt Michael Rietz. Ein Gutachter, der die technischen Angaben Schaabs auf ihre Glaubwürdigkeit hin unter die Lupe nehmen wird, sagte, allein bei der Erprobung der zivilen GUZ in Gronau habe die MAN-Technologie "zig Stücke kaputtgefahren". Zudem hätten bis zu zwei Drittel der dargestellten Anlage dem technischen Standard tu Beginn der siebziger Jahre entsprochen. "Heute", sagte Rietz, "arbeiten Zentrifugen um den Faktor zehn effizienter". Süddeutsche Zeitung vom 16. Juni 1999 |