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Richter Piira: "Ein Stück aus dem Tollhaus" - Wachmänner stahlen in Firmen alles, was nicht niet- und nagelfest war Bandendiebstahl und Hehlerei zahlten sich nicht aus: Verurteilt |
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Münster (WEB) - "Es ist ein Stück aus dem Tollhaus. Da denken Firmen, sie haben Leute, die Sicherheit gewähren, doch sie stehlen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Man hat den Bock zum Gärtner gemacht." So kommentierte Schöffengerichtsvorsitzender Piira den gestrigen Prozeß am Amtsgericht Münster, wo sich ein 27jähriger ehemaliger Wachmann aus Münster wegen achtfachen Bandendiebstahls und Hehlerei in neun Fällen verantworten mußte. Der Angeklagte, der nach seinem Zivildienst als Altenpfleger tätig war und in einer Zeit der Arbeitslosigkeit bei einem Security-Unternehmen im Münsterland anheuerte, kam mit einem "blauen Auge" davon. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung, entzog ihm für sechs Monate den Führerschein und machte ihm eine Geldauflage in Höhe von 2 400 DM, zahlbar an eine gemeinnützige Einrichtung. Dem Prozeß in Münster werden gewiß noch weitere folgen, denn die Polizei legte im Januar diesen Jahres einer ganzen Bande das Handwerk. 37 Tatverdächtige - darunter 15 Wachmänner mit zum Teil einschlägigem Vorleben - konnte die Sonderkommission ermitteln. Der 27jährige Münsteraner, der von September 1996 bis Januar 1998 bei dem Wachdienstunternehmen, das in Münster eine Zweigstelle hat, arbeitete, schloß sich damals den drei anderweitig verfolgten Wachmännern Ralf R., Kai W. und Dieter O. an. Diese nutzten - so der Staatsanwalt - ihre Stellung aus, um fortlaufend Diebestouren durch die zu bewachenden Firmen zu unternehmen. In Münster handelte es sich um eine Versicherung und ein Pharma-Unternehmen in Coerde. Aus den Büros der Versicherung wurden Kugelschreiber, Druckerpatronen, Verzehrkarten mit Guthaben bis zu 100 DM, ein Laserdrucker, Druckerpapier, 30 Stangen Zigaretten, Champagner, drei Casio-Datenbanken und Bargeld in Höhe von 4 500 DM gestohlen. Bei dem Pharmabetrieb wechselten Kartons mit Fieberthermometern und Medikamenten den Besitzer. In Bocholt waren es zehn Handys der Marke Siemens, die für 350 DM pro Stück Abnehmer fanden. Der 27jährige räumte seine Beteiligung an den Straftaten vorbehaltlos ein. Anfangs habe er von dem Wachmann R. Kugelschreiber und andere Kleinigkeiten als "Schweigegeld" erhalten. Kollegen, die nicht mitgezogen hätten, seien "weggemobbt" worden. Das Schöffengericht folgte mit seinem Urteil größtenteils dem Antrag des Staatsanwaltes, setzte aber die Sperrfrist für den Führerschein auf die Bitte des Verteidigers Michael Rietz aus Münster nur auf sechs Monate fest. Vorsitzender Piira betonte in seiner Begründung, daß es sich um ein Verfahren mit besonderem Gepräge handele. "Der Angeklagte und die anderweitig verfolgten Mittäter hatten die elementare Pflicht, das Eigentum anderer zu schützen. Sie haben ihre gesteigerte Schutzpflicht mißbraucht. Nur aufgrund der günstigen Sozialprognose und um dem Angeklagten seine Berufschance als Altenpfleger nicht zu verbauen, haben wir die Strafe zur Bewährung ausgesetzt" erklärte der Vorsitzende. Münsterische Zeitung, 10.März 1999 |