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VERSMOLD: Fall Wilfried I.: Vorwurf der Lohnsklaverei Gewerkschaft: Unternehmer ließ Arbeiter mit Waffen bedrohen |
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Versmold/Berlin (aja/bth). Der Versmolder Unternehmer Wilfried I. sitzt in Untersuchungshaft, weil er 3.500 Osteuropäer zu Wucherbedingungen an Schlachthöfe vermittelt haben soll. Bis nach Berlin schlägt dieser Fall hohe Wellen. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nimmt ihn zum Anlass, gegen die elenden Bedingungen von Werkvertrags-Arbeitnehmern zu Felde zu ziehen. Seit der BSE-Krise kämpfe die Fleischwirtschaft gegen die Vertrauenskrise der Verbraucher, stellt NGG-Chef Franz-Josef Möllenberg fest. Was auf der Ladentheke lande, müsse "immer billiger" werden. Um Lohnkosten zu drücken, würden in dieser Branche mittlerweile 5.000 Arbeiter aus Osteuropa eingesetzt. Die Dunkelziffer sei aber wesentlich höher, so Möllenberg. Besonders ausgebeutet würden Menschen aus Rumänien. Sie unterzeichneten in ihrer Heimat Blankoverträge über Arbeitszeit und Lohnregelungen, die sich später häufig als reiner Schwindel herausstellten. Subunternehmer wie Wilfried I. würden sich hemmungslos bereichern: Statt der zugesagten 7 oder 7,99 Euro bekämen die Rumänen oft nur die Hälfte ausgezahlt. Der Tariflohn für einheimische Schlachtereiarbeiter liegt bei 15 bis 19 Euro. Statt 40 Stunden müssten die Osteuropäer nicht selten bis zu 70 Stunden schuften. Wer krank werde oder sich beschwere, riskiere es, kurzerhand wieder nach Hause abgeschoben zu werden. Auch körperliche Gewalt sei ein Mittel, um mit Protest fertig zu werden. Im Auftrag von Wilfried I. etwa sollen Rumänen sogar mit Handfeuerwaffen bedroht worden sein. Möllenberg fordert in Berlin Maßnahmen gegen die „mafiösen Strukturen“ und alle "Formen moderner Lohnsklaverei". Zum einen solle sich unsere Gesellschaft an Dänemark ein Beispiel nehmen. Dort seien langzeitarbeitslose Jugendliche für den Bereich Schlachtung und Zerlegung qualifiziert worden. "Das müsste doch auch in Deutschland möglich sein", meint der NGG-Chef. Ein positives Signal sende die Firma Westfleisch aus, die mit dem Arbeitsamt begonnen habe, Langzeitarbeitlose weiterzubilden. Westfleisch betreibt auch in Paderborn einen Schlachthof. Zum anderen verlangt die Gewerkschaft, dass die Zahl ausländischer Werkvertragsarbeiter generell verringert werden müsse: „Der Anteil sollte sich auf zehn Prozent der Stammbelegschaft beschränken.“ Arbeitsämter sollten die Entlohnung der Arbeiter stärker überwachen. Der Sohn des Hauptbeschuldigten, Thorsten I. (30), ist nach Auskunft seines Anwalts Michael Rietz nach Gesprächen in einer Schlachterei in Essen/Oldenburg festgenommen worden, an denen dieser stellvertretend für seinen Vater teilgenommen habe. Dabei sei es um mögliche Arrestierung von Geschäftsgeldern gegangen. Thorsten I. sei derzeit angestellter Zahnarzt in einer Borgholzhausener Praxis und wolle dort in Kürze selbst einsteigen. Rietz sagte zu den Anschuldigen gegen seinen Mandanten: "Wenn am Ende fünf Prozent der Vorwürfe übrig bleiben ist es hoch gegriffen." Der Oldenburger Oberstaatsanwalt Gerhard Kayser sagte, man hoffe weitere Vermögenswerte sicherstellen zu können. Die Summe betrage bisher fünf Millionen Euro, der Gesamtschaden liege bei elf Millionen. OWL/NRW, 14.11.2003 |