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Balssam - Prozess | ||
Nach der Flucht | ||
Prozess am LG Bielefeld | ||
Verschwinden von Klaus S. | ||
Auftauchen von Klaus S. | ||
Misteriöse E-Mails | ||
Nach 16 Monaten Flucht wurde Milliardenbetrüger Schlienkamp, Ex-Finanzchef der Balsam AG, in Asien gefaßt. |
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Aufgeflogen unter Palmen Erste Details über sein Versteck Von Heike Vowinkel Die einen hielten ihn für tot, andere vermuteten ihn in den USA, der Karibik oder auf Kuba. In dieser Woche wurde Klaus-Detlev Schlienkamp, 47, an seinem wahren Fluchtort gefasst: Auf der philippinischen Insel Cebu. Seit 14 Monaten hielt sich der flüchtige Ex-Finanzvorstand der westfälischen Balsam-AG in der Millionenstadt auf. Dort lebte er mit einer Philippinin, die er erst vor einigen Monaten geheiratet hatte. Unter seinem richtigen Namen bewegte er sich völlig frei - bis ihn deutsche Zielfahnder aufspürten. Seit diesem Wochenende ist Schlienkamp wieder in Deutschland. In der Frankfurter Justizvollzugsanstalt wartet Schlienkamp nun auf seinen Transport nach Bielefeld. Der Einzige, mit dem er bislang sprach, ist einer seiner drei Anwälte, Michael Rietz. "Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Äußerlich hat er sich überhaupt nicht verändert, er ist nur brauner", sagte Rietz der WELT am SONNTAG. Im vergangenen September wurde Schlienkamp in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft verurteilt. Mit Scheingeschäften hatten der Finanzmanager des Sportbo-denherstellers Balsam, sein früherer Chef Friedel Balsam und weitere Beteiligte 45 Banken um 1,5 Milliarden Mark geprellt. Geschätzter Gesamtschaden: 2,7 Milliarden Mark. Schlienkamp hatte bereits 1994 als einziger der Betei-ligten ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er rechnete mit einer schnellen Verurteilung. Doch erst 1996 begann der Prozess. Das Mammutverfahren zog sich dreieinhalb Jahre hein. "Nach zwei Jahren war Schlienkamp sehr enttäuscht, dass kein Ende in Sicht war. Er wollte nicht mehr warten", erklärt sich Rietz die Flucht seines Mandanten heute, der seit 1996 Haftverschonung genoss. Am 8. November 1998 fuhr Schlienkamp nach Cuxhaven, parkte sein Auto vor einem Ausflugslokal - mit Namen "Alte Liebe" - und wurde fortan nicht mehr gesehen. Kurz darauf trafen bei seiner damaligen Frau und dem Bielefelder Landgericht zwei Briefe ein. Darin kündigte Schlienkamp Selbstmord an. Eine Leiche wurde nie gefunden - die Bielefelder Fahnder glaubten ohnehin an ein Täuschungsmanöver, um unterzutauchen. Dazu sein Anwalt Michael Rietz: "Schlienkamp ist nicht der Typ, der einen solchen Abschiedsbrief erfindet. Er hat mir versichert, dass er sich damals tatsächlich umbringen wollte. Doch dann verließ ihn der Mut. Mir sagte er nur: "Es ist gar nicht so einfach, sich das Leben zu nehmen". Schlienkamp hob 78 000 Mark von seinem Konto ab und floh nach Neuseeland. Warum dorthin? Und warum später nach Hongkong, dann weiter auf die Philippinen? Das will der Anwalt nicht verraten:"Vieles passierte aus Zufall." Die Kripo vermutete, dass Schlienkamp auf diversen Konten im Ausland Millionen versteckte und sich von dem Geld bediente. "Dafür gibt es keine Beweise", sagt Rietz. Seit dem 17. Januar letzten Jahres hielt sich Schlienkamp auf den Philippinen auf. "Er blieb dort, weil er sich in eine Einheimische verliebte", so der Anwalt. Sie soll Marietta heißen, wie philippinische Zeitungen berichten. Eine aparte, studierte Frau, Mitte 30, verrät Rietz. "Durch sie fand er neues Lebensglück. Die beiden haben geheiratet." Nahe der Insel-Hauptstadt Cebu-City, in Toledo, mietete sich Schlienkamp mit Marietta eine kleine Wohnung. "Er lebte dort sehr einfach", sagt sein Anwalt. "Sein Appartement hatte kein fließend Wasser, Strom nur ab und zu. Geschlafen wurde auf Bambusmatten." Cebu ist eine der Hauptinseln der Philippinen mit boomender Wirtschaft. Hier leben viele Ausländer. Der Deutsche fiel zunächst nicht auf. Den Vorwurf, Schlienkamp habe den deutschen Fahndern ein Versteckspiel geliefert, weist Rietz zurück:"Dafür hat er viel zu offen dort gelebt, sogar ein Bankkonto unter seinem Namen eröffnet. Für die Fahnder hätte es ein Leichtes sein müssen, ihn zu finden." Am vergangenen Dienstag morgens um 8.30 Uhr schlugen die Zielfahnder schließlich zu. Schlienkamp leistete keinen Widerstand. "Er hatte wohl damit gerechnet, dass er früher oder später gefasst würde," so Rietz. Schlienkamps frühere Frau, von der er während seiner Flucht geschieden wurde, will sich zum Wiederauftauchen ihres Ex-Mannes nicht äußern: "Das ist für mich abgeschlossen." Welt am Sonntag vom 2. April 2000 |