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Schlienkamp friert und liest "Nichts" Neuer Haftbefehl wegen Fluchtgefahr verkündet |
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Von unserem Redakteur Peter Johnsen Bielefeld. Klaus Schlienkamp friert erbärmlich. Nicht etwa, weil seine Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I nicht ausreichend geheizt wird, sondern weil ihm die Klimaumstellung - von den schwül-heißen Philippinen ins kalte Deutschland - noch zu schaffen macht. Er liest zur Zeit ein Buch mit dem Titel "Nichts", ein 765 Seiten starker Wälzer über Philosophie, den ihm sein Anwalt Michael Rietz ins Gefängnis brachte. Gestern um 11 Uhr hatten Schlienkamp und sein Verteidiger einen kurzen Termin in Saal 24 des Landgerichts, zu dem der wegen schweren Betruges zu zehn Jahren Haft verurteilte Ex-Balsam-Finanzchef vorgeführt wurde. In nicht öffentlicher Verhandlung verkündete ihm der Vorsitzende der XI. Großen Strafkammer, Reinhold Hülsmann, den neuen Haftbefehl. Der bisherige war wegen Flucht ergangen und nach Schlienkamps Festnahme in der philippinischen Großstadt Cebu City von der hiesigen Staatsanwaltschaft umgestellt worden. "Fluchtgefahr" lautet jetzt der Haftgrund. Die Anklagebehörde war bei der Verkündung durch Oberstaatsanwalt Heinrich Rempe vertreten. Schlienkamp nutzte den kurzen Auftritt zur Abgabe einer persönlichen Erklärung. Er entschuldigte sich bei Hülsmann und den anderen Richtern dafür, dass er ihr Vertrauen durch seine Flucht im November 1998 missbraucht habe. Er habe damals wirklich vorgehabt, Selbstmord zu begehen, dazu aber nicht den Mut aufgebracht, beteuerte er. Ihm sei bewusst, dass nun harte Zeiten auf ihn zu kämen, aber er habe den Sinn des Lebens neu entdeckt, daraus Kraft geschöpft und wolle die Sache nun mit Anstand hinter sich bringen. Rechtsanwalt Rietz bezeichnete das Verhalten seines Mandanten als "überraschend stabil". Schlienkamp habe bei seiner Festnahme keine Panik gezeigt, sondern sich "wie ein guter Verlierer" verhalten. In der Haftanstalt genießt Schlienkamp bis zur Rechtskraft des Urteils noch die Vorzüge eines Untersuchungsgefangenen. Er trägt seine eigene Kleidung, hat einen Fernseher in der Zelle, den er bereits in Frankfurt beim Haftrichter beantragte und genehmigt bekam. Von den Bediensteten werde Schlienkamp freundlich, korrekt und ohne Häme behandelt, er komme mit allen gut klar und wolle möglichst bald eine Arbeit aufnehmen, berichtete Rietz. Einen Theologen als neuen Freund Einen Freund hat Schlienkamp anscheinend auch schon gewonnen. Den Umschluss verbringt er meist mit dem Theologen Axel B., der, wegen Kindesentziehung gesucht, aus dem Jemen ausgewiesen und gemeinsam mit Schlienkamp in einem Sammeltransport nach Bielefeld gebracht wurde. Vorsitzender Richter Hülsmann räumte dem Häftling auf dessen Antrag hin noch eine Vergünstigung ein: Weil seine sämtlichen sozialen Kontakte in Deutschland in die Brüche gegangen sind, darf Schlienkamp einmal im Monat zehn Minuten mit seiner Ehefrau Marietta auf den Philippinen telefonieren. Neue Westfälische vom 12. April 2000 |