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Von Hubertus Gärtner - Er kam aus der subtropischen Wärme und er landete ausgerechnet an seinem 47. Geburtstag in der anonymen Kälte eines Frankfurter Knastes. Das hätte sich der Milliardenbetrüger Klaus Schlienkamp vor einigen Wochen bestimmt nicht träumen lassen. Ihn muss gefröstelt haben, als er Freitagmorgen um 5.58 Uhr von dem Bielefelder Kripo Fahnder Karl-Heinz Wallmeier und weiteren Sicherheitskräften über eine separate Gangway eines Lufthansa-Jumbos aus Manila direkt in eine "grüne Minna" des Bundesgrenzschutzes geführt wurde. Rund 150 Meter entfernt lauerten Kameras, die ihre "Blitze" plötzlich durch das Dunkel feuerten, um den auf den Philippinen gefassten Ex-Balsam-Finanzchef noch einmal abzulichten, bevor er vermutlich für etliche Jahre hinter Gittern verschwindet. Ein knappes Dutzend Journalisten hatte auf der Besucherterrasse des Airports bei Dunkelheit und Regen ausgeharrt – gottlob landete die Maschine mit der Flugnummer 751 fast pünktlich. Dann ging alles sehr schnell. Kurze Wortwechsel, dann brausten zwei Fahrzeuge davon. Bundesgrenzschutzbeamte brachten den Ex-Manager einige Stunden später auch zur Vorführung ins Frankfurter Amtsgericht. Dort verkündete Richter Clemes Becker um 11.30 Uhr, dass Schlienkamp in Untersuchungshaft genommen sei. Gegen ihn lag ein Haftbefehl des Landgerichts Bielefeld vor. Der Beschuldigte habe "keine Angaben zur Sache gemacht" und er werde umgehend in die Justizvollzugsanstalt I der Mainmetropole transportiert, erklärte Claus-Michael Ullrich, Pressesprecher des Frankfurter Amtsgerichtes, nur wenig später auf Anfrage. Mit einem Sammeltransport wird man Klaus Schlienkamp in den nächsten Tagen von Frankfurt in ein Bielefelder Gefängnis bringen. Dort sei die Ankunft am Dienstag. Fakt ist damit auch, dass der hochkarätige Wirtschaftsbetrüger keine Sonderbehandlung erfährt. Er wird Seite an Seite mit gewöhnlichen Kriminellen reisen müssen. Lediglich Fernsehkonsum wurde Schlienkamp gestern in Frankfurt als Hafterleichterung gewährt. Wenn man den Ausführungen seines Verteidigers Michael Rietz folgt, dann hatte der einstige Millionen-Jongleur allerdings bereits während seiner gesamten Flucht "äußerst bescheiden" am Rande des Existenzminimums gelebt. Rietz vertrat am Freitag die Interessen Schlienkamps vor dem Haftrichter. Zuvor hatte sich der Münsteraner Rechtsanwalt zwei Stunden lang mit dem Ex-Manager unterhalten. Letzterer habe eine Art Beichte über die Umstände und Motive seiner Flucht abgelegt. Danach hat Schlienkamp unmittelbar nach seinem Verschwinden am 8. November 1998 Europa verlassen und ist per Frachtschiff direkt nach Auckland (Neuseeland) gefahren. Weil ihm dort nach fünf Wochen,"das Geld ausging", sei er am 19. Januar 1999 via Hongkong auf die Philippinen geflogen. Ein "Zufall" (das Kennenlernen eines philippinischen Seemannes) habe die Wahl dieses neuen Fluchtortes bestimmt, wo er kurze Zeit später eine Einheimische heiratete. Der Verteidiger glaubt fest an die Darstellung seines Mandanten. Danach hat Schlienkamp – entgegen staatsanwaltschaftlichen Vermutungen – auch, "keinen Pfennig Geld irgendwo versteckt", sondern bei Fluchtantritt lediglich über 80.000 Mark vom seinem abgeräumten eigenen Konto verfügt."In Cebu-City hat er sogar versucht, wieder ein bisschen zu arbeiten", führt Rietz ein Indiz für die faktische ,,Armut“ an. Angeblich beschaffte Schlienkamp Bauern Kapital und Geräte, um Seetang anzubauen. Für seine Person spreche auch, dass er sein Äußeres "nie verändert" und "seine wahre Identität nicht verschleiert" habe. Der Ex-Balsam Finanzchef sei im übrigen immer unter seinem kompletten Namen gereist, er habe in Cebu-City "sogar ein Konto auf seinen Namen eröffnet". Deshalb sei es für die BKA-Zielfahnder "ein Leichtes gewesen, den Flüchtigen aufzuspüren." Nach seiner eigenen Darstellung hatte Hobbytaucher Schlienkamp den festen Vorsatz, sich umzubringen. Er sei allerdings dann doch ,,zu feige“ gewesen. Schlienkamps Begründung scheint partiell plausibel: "Gehen Sie mal ins kalte Wasser!" Sollte die im September 1999 vom Bielefelder Landgericht in Abwesenheit verhängte Haftstrafe (wg. schweren Betruges) von zehn Jahren auch in der Revision Bestand haben, dann wird der ehemalige Balsam-Chef wohl kaum in Kürze mit Vollzugslockerungen rechnen können. Die "Fluchtgefahr" hat er durch seine jüngste Äußerung, er wolle "so bald wie möglich" auf die Philippinen zurückkehren nolens volens bestätigt.
Neue Westfälische, 23. Juli 2000 |
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