Themenübersicht: |
Balssam - Prozess | ||
Nach der Flucht | ||
Prozess am LG Bielefeld | ||
Verschwinden von Klaus S. | ||
Auftauchen von Klaus S. | ||
Misteriöse E-Mails | ||
Am 195.Verhandlungstag letzte Urteile im Mammut-Prozess/ Blumen für die Hauptschöffen |
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Kopfschütteln bei Friedel Balsam von Redakteur Peter Johnsen Bielefeld. Schwarzer Blazer, farbenfroh gemusterte Krawatte, ein wenig blass, aber gefasst- so nahm Friedel Balsam eine Woche vor seinem 58. Geburtstag zum 195. und letzten Mal auf die Anklagebank im großen Schwurgerichtssaal Platz. Bei der Verkündung des Urteils- acht Jahre wegen schweren Betruges- zeigte sich der einztige Herr über ein Weltunternehmen keine Regung, auf einen Freispruch hatte er wohl nicht ernsthaft gehofft. Der (in dieser Instanz) letzte Verhandlungstag im Bielefelder Balsam-Prozess stieß noch einmal auf lebhaftes Interesse. Zahlreiche Fernseh - und Hörfunkteams sowie Pressevertreter drängten sich in der Halle des Landgerichts, die Zuhörerbänke waren dicht besetzt. Sie alle wurden noch ein wenig auf die Folter gespannt, da das Gericht vor der Urteilsverkündung erneut in die Beweisaufnahme eintrat. Vorsitzender Richter Reinhold Hülsmann erörterte mit den Verfahrensbeteiligten die beiden mysteriösen E-Mails, die am 9. und 13. September bei Schlienkamps Verteidiger Michael Rietz eingegangen waren. Darin behauptet der Absender, dass der im November 1998 geflüchtete Angeklagte Klaus Schlienkamp beim Tauchen auf Kuba im Januar ertrunken sei. Die Staatsanwaltschaft sei nach wie vor davon überzeugt, dass Schlienkamp selbst hinter den E-Mails stecke, erklärte Oberstaatsanwalt Heinrich Rempe. Man habe die in englisch abgefassten Nachrichten von einem Experten auf ihre Sprache hin untersuchen lassen. Ergebnis: "Sie enthalten Germanismen und Formulierungen die Schlienkamp nicht fremd sind." Darüber hinaus wartete Rempe mit einem weiterem Fahndungsergebnis auf. Kurz vor seiner Flucht im November 1998 erkundigte sich Klaus Schlienkamp beim Hamburger Tropeninstitut nach Schutzimpfungen für bestimmte Länder. Nach bisher unbestätigten Medienberichten soll sich die internationale Fahndung auf die Bahamas und die Bermuda-Inseln konzentrieren. Um 11.15 war es dann so weit: Die Urteile gegen balsam und Schlienkamp, der wegen besonders schweren Betruges in 78 Fällen zehn Jahre erhielt, lösten weder bei Prozessbeteiligten noch bei den Zuhörern Überraschung aus. Sie entsprachen im wesentlichen den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die neuneinhalb Jahre für den Firmenchef und zwölf Jahre für dessen Finanzmanger gefordert hatte. In der zweieinhalbstündigen Begründung zeichnete der Vorsitzende den beruflichen Werdegang der Angeklagten und der Entwicklung der Balsam AG nach. Schlienkamp habe unter einer "Selbstwertstörung" gelitten, es genossen, im Mittelpunkt zu stehen und eine unglaubliche Wirkung auf andere Personen zu erziehlen, so Hülsmann. Im Spätsommer 1984 habe sich eine Finanzlücke von vier Millionen Mark aufgetan. In einem Gespräch hätten Balsam und Schlienkamp beschlossen dennoch keinen Konkurs anzumelden. Anfang 1985 habe man sich in einer verzweifelten Lage befunden. Dies sei der Zeitpunkt gewesen, zu dem die Angeklagten sich zu den Betrügereien mit nichtexistenten Forderungen entschlossen hätten. Bei diesen Worten des Vorsitzenden, schüttelte Friedel Balsam den Kopf. "Die betrügerischen Geldschöpfungen wurden für die Angeklagten mehr und mehr zum Selbstläufer," fuhr Hülsmann fort. Zugunsten Balsams berücksichtigte das Gericht, dass er fest daran geglaubt hatte, seinem Finanzgenie Schlienkamp sei es gelungen, die Verluste durch Devisenoptionsgeschäfte auszugleichen. Schlienkamp habe den durch sein Geständnis erlangten Bonus durch die Flucht wieder verspielt, begründete der Vorsitzende das Starfmaß. Nach der Urteilsverkündung bedankte sich Hülsmann bei allen Prozessbeteiligten für das faire Verfahren und ließ den Hauptschöffinnen Blumensträuße überreichen. Schlienkamps Verteidiger kündigte Revision gegen das Urteil an. STICHWORT Balsam AG Bielefeld. Die 1994 zusammengebrochene Balsam AG (Steinhagen) war nach eigener Darstellung führender Anbieter für Kunstrasen, Sporthallen-Böden und Tennisplatz-Beläge. Werbeslogan: " Wir bereiten dem Sport den Boden" Das Unternehmen mit weltweit 1.600 Beschäftigten, 30 Tochterfirmen in Deutschland den wichtigsten europäischen Ländern, Amerika und Australien sowie einem Jahresumsatz von zuletzt 460 Millionen Mark war 1965 von dem Kaufmann Friedel Balsam gegründet worden. Zunächst widmete sich Balsam dem Baustoffhandel. Den ersten Kunstoffboden für den Hallensport hatte Balsam Anfang der 70-er Jahre im eigenen Labor entwickeln lassen- der "Teppich" war der Auslöser für den Aufstieg des Unternehmens, das 1989 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. An der Balsam AG war die W F G Deutsche Gesellschaft für Wagniskapital mit 15 Prozent beteiligt, die übrigen 85 Prozent des Aktienkapitals hielt Balsam. Neue Westfälische Nr. 220 Dienstag 21. September 1999 |